„Neue Wettbewerbsstrategien in der TK-Wirtschaft“

Am 17. Mai fand im Gerhard-Mercator-Haus der Universität Duisburg-Essen der 7. Workshop des ZfTM e.V. zum Thema „Neue Wettbewerbsstrategien in der Telekommunikationswirtschaft – Bandbreitenexplosion, Dienste- und Vertriebsinnovationen“ statt. Wettbewerbsstrategischer Veränderungsbedarf ergibt sich derzeit im Festnetz insbesondere im Zusammenhang mit der Erhöhung der Breitbandigkeit von Zugangsnetzen durch ADSL2+ und/oder VDSL-Plattformen, die sowohl von alternativen Carriern als auch der Deutschen Telekom aufgebaut werden. Mit ihnen ist es möglich, Datenraten von bis zu 50 Mbit/s zu offerieren. Auch im Mobilfunk steigen die Transportgeschwindigkeiten in UMTS-Netzen durch Techniken wie HSDPA. Um solche Bandbreiten, aber auch etablierte TK-Dienste wirksam zu vermarkten, bedarf es insbesondere im Mobilfunk neuer Vertriebsansätze. Vor diesem Hintergrund analysierten neun ausgewiesene Referenten aus regulatorischer, unternehmerischer und wissenschaftlicher Sicht zumeist an Beispielen Möglichkeiten und Rahmenbedingungen der Entwicklung neuer Wettbewerbsstrategien im deutschen TK-Markt.

Als Zuhörer kamen knapp 50 Interessierte aus der Wirtschaft, Forschung und Lehre sowie ausgewählte Studenten zu der Veranstaltung. Die zahlreichen Teilnahmewünsche waren Anlaß für den ZfTM-Vorstand die ursprüngliche Begrenzung der Teilnehmerzahl abzuschwächen, um möglichst ein großes Fachpublikum zu der Veranstaltung zuzulassen.

Der Gastgeber und Vorsitzende des ZfTM e.V., Prof. Dr. Torsten J. Gerpott vermittelte in seinem Einleitungsvortrag einen faktenreichen Überblick über „Wettbewerbsstrategische Her-ausforderungen für Fest- und Mobilfunknetzbetreiber in Deutschland“. Im ersten Vortragsteil untersuchte Prof. Gerpott die Entwicklung des stationären Breibandzugangsmarktes und die hiermit verbundenen wettbewerbsstrategischen Veränderungsnotwendigkeiten. Dabei arbeitete er uner Einsatz zahlreicher Beispiele aus der Praxis das Spannungsfeld zwischen technischen Möglichkeiten und Kundenanforderungen bei Breitbandanschüssen/-diensten heraus. Im zweiten Teil des Vortrages stellte Prof. Gerpott wettbewerbsstrategische Implikationen für den Mobilfunkmarkt dar, die sich vor allem aus der Festnetzsubstitution durch Mobilfunk, aus Discount-Mobilfunkvertriebsunternehmen und der Bereitstellung mobiler Datendienste wie z.B. Musikdownloads ergeben.

Mit Frau Iris Henseler-Unger, Vizepräsidentin der Bundesnetzagentur für Elektrizität, Gas, Telekommunikation, Post und Eisenbahnen (BNetzA) konnte der Förderkreis ZfTM e.V. bereits zum fünften Mal einen Referenten aus der deutschen TK-Regulierungsbehörde gewinnen. Sie ging in ihrem Vortrag auf das Thema „Zugang zu Breitbandnetzen: Wettbewerb und Regulierung“ ein. Neben der Darstellung der Treiber des Breitbandwettbewerbs wie Internet, VoIP, Triple Play wurde insbesondere die regulatorische Begleitung der Breitbandmarktentwicklung beschrieben. Zudem erläuterte die Vizepräsidentin wettbewerbspolitische Hintergründe von Beschlußkammerentscheidungen ihres Hauses zu TAL/Line-Sharing, VoIP, Bitstream Access sowie zu Frequenzvorgaben für Broadband Wireless. Schließlich nahm Dr. Henseler-Unger zu aktuell intensiv diskutierten regulatorischen Fragestellungen im Zusammenhang mit dem VDSL-Netzausbau der Deutschen Telekom Stellung.

Als zweiter externer Referent zeigte Michele Novelli, Marketingdirektor bei HanseNet Telekommunikation GmbH, Perspektiven für hochbitratige Festnetzanschlüsse im Massenmarkt auf. Nach einer kurzen Zusammenfassung der Entwicklung der HanseNet entwickelte Novelli die Vision eines integrierten TV-, (Video-)Telefonie- und Mobilfunkangebots auf einer IP-Plattform. Er verdeutlichte, daß HanseNet mit der Vermarktung von bis 100 TV-Sendern über sein DSL-Netz bereits mit der Verwirklichung dieser Vision begonnen hat.

Dr. Thomas Pfeiffer, Leiter Forschungsaktivitäten optische Zugangsnetze bei Alcatel SEL AG, ging im Folgevortrag auf „Jenseits von ADSL – Welche Perspektiven bieten optische Netze?“ ein. Nach Pfeiffer stellt VDSL den letzten Schritt vor Fiber-To-The-Home (Glasfaser bis zum Kunden) Architekturen dar. Er prognostizierte, daß mittelfristig auch in Deutschland mit der Realisierung von Passive Optival Networks (PON)  zu rechnen ist und erläuterte Breitband-PON und Gigabit-PON jeweils auf ATM-Basis sowie Ethernet-PON, mit denen Datenraten von 10 Gigabit/s und mehr realisierbar sind. Dr. Pfeiffer betonte, daß im Zuge des zunehmenden Einsatzes von Glasfaser als Übertragungsmedium der Entwicklung neuer Netzüberwachung- und -schutzsysteme zur Betriebskostenverringerung vermehrte Aufmerksamkeit gewidmet werden sollte.

Im nächsten Referat befaßte sich Dr. Bertold Heil, Leiter Strategy and Business Development des Rundfunknetzbetreibers Media & Broadcast der T-Systems International GmbH, mit dem Thema „Rundfunk(transport)netze an der Schwelle zu HDTV und mobilen Angeboten“. Nach Heil werden sich die Amortisationszeiträume für Investitionen von kommerziellen Rundfunknetzbetreibern verkürzen, da lange Technologielebenszyklen bei Rundfunk-Infrastrukturen zukünftig unwahrscheinlich sind. Die Rundfunk-Infrastrukturen können nicht regelmäßig an den letzten Stand der Technik angepaßt werden, da hierfür die erforderlichen Finanzmittel fehlen. Zukünftig ist auf Rundfunk-Märkten nach Meinung von Dr. Heil die Einbeziehung von „Branchenfremder“ in die Wertschöpfungskette und die Abkehr vom Rundfunk als „öffentliches Gut“ zu erwarten. Dr. Heil ging außerdem auf den noch in einem frühen Entwicklungsstadium befindlichen Markt für mobiles TV in Deutschland ein. Diesbezüglich stellte er fest, daß beim Mobil-TV in Deutschland verschiedene Standards (DVB-H, DMB, DXB) in kombinierter Weise zum Einsatz kommen könnten.

Nach der Mittagspause ergriff Tarek Salem, Leiter der UMTS-Einführung, Systemtechnik bei T-Mobile International AG & Co. KG, mit einer Präsentation, die mit „′Click Boom′ on your mobile phone – mobile broadband with HSDPA“ überschrieben war, das Wort. Er führte aus, daß die bislang im Markt eingesetzten Technologien für mobile Datenübertragung durch relativ schwache Übertragungsleistung und im Vergleich zur fixen Datenübertragung hohe Kosten gekennzeichnet sind. Mit der Breitband-Funktechnologie HSDPA (High Speed Downlink Packet Access) wird Kunden eine zehnmal höhere maximale Datenübertragungsrate im Vergleich zum UMTS Release 1999 angeboten. Salem betonte, daß HSDPA eine Lösung für alle Kundensegmente darstelle. So würden Geschäftskunden vom einfachen und sicheren drahtlosen Zugang in Firmennetzwerke zum schnellen Abruf von firmeninternen Daten profitieren. Private Kunden könnten dagegen Video-Streaming in Echtzeit und Musik-Downloads in guter Geschwindigkeit und Qualität nutzen. Durch die Gestaltung der Tarife soll eine rasche HSDPA-Diffusion unterstützt werden. Die HSDPA-Aufrüstung wird nach Einschätzung von Salem dazu beitragen, die Wettbewerbsfähigkeit von UMTS-Netzen gegenüber anderen Funktechniken wie etwa WiMAX deutlich zu verbessern.

Wolfram Denzer, Senior Content Manager O2 Music bei O2 (Germany) GmbH & Co. OHG, setzte sich mit Marketingstrategien für Mobile Music am Beispiel von O2 (Germany) auseinander. Zur Schaffung eines Massenmarkts für Mobile Music benötigt man nach Denzer offene technische Standards (DRM, Music Player usw.), flexible Music Shops und Download Plattformen, die Möglichkeit des Bezugs und der Nutzung von Musiktiteln über mehrere Endgeräte hinweg sowie eine wettbewerbsfähige Preisgestaltung. Darüber hinaus fordert der Ausbau einer starken Marktposition durch Differenzierung neben einem großen Repertoire an Musiktiteln das Angebot zusätzlicher redaktioneller Inhalte, exklusiver Stücke, von Music-Communities und eines attraktiven Endgeräteportfolios. Derzeit sei allerdings noch nicht sicher zu prognostizieren, welche elektronischen Vertriebswege (Einkaufen im Web-Shop vs. Einkaufen im WAP-Shop bzw. Auslieferung PC-basiert vs. „Over-the-Air“) welchen Anteil am Online-Musikgeschäft haben werden. Deshalb befinden sich nach Denzer Anbieter von Mobile Music im Hinblick auf wirtschaftlich tragfähige Geschäftskonzepte (z.B. Pay-Per-Track, Abo-Modelle, Streaming) noch in einer Experimentierphase.

Rolf Hansen, Gründer und Geschäftsführer simyo GmbH, analysierte in seinem Vortrag Wettbewerbsstrategien für neue Vertriebswege im Mobilfunkmarkt am Beispiel von simyo. Hansen zufolge ist in Deutschland aufgrund der hohen Mobilfunk- und Internetpenetration, der Etablierung von Online-Shopping-Kanälen und der Verfügbarkeit subventionierter Endgeräte aus früheren Mobilfunkvertragsverhältnissen ein erhebliches Potential an Kunden vorhanden, die ihre Mobilfunkkarte „online“ beziehen wollen und an niedrigen, einfach strukturierten Preisen interessiert seien. Genau diese Zielgruppe würde simyo als Pionier unter den „No Frills“ Mobilfunkvermarktern adressieren. Nach Hansen besteht zwar noch erhebliches Wachstumspotential für neue Mobilfunkvertriebswege, aber dennoch würden in Deutschland mittelfristig nur 2-3 Vertreter dieses neuen Wettbewerberstyps als unabhängige Anbieter überleben.

Bernd Freier, Principal, Advisory Services Germany, Ericsson Deutschland GmbH, rundete den Workshop mit einem Vortrag zum Thema „IP Multimedia Subsystem (IMS) – Weiterentwicklung von Service Delivery Plattformen in Richtung All-IP“ ab. Bei dem IP Multimedia Subsystem handelt es sich um eine universelle IP-basierte Multimedia-Plattform, die über traditionelle Grenzen von Fest- und Mobilfunknetzen hinweg eine effizientere Realisierung von neuen Diensten, Netzwerkarchitekturen und integrierten Anwendungen ermöglichen soll. Freier zeigte auf, daß IMS gleichermaßen für reine Mobilfunk- und reine Festnetzbetreiber, aber auch für integrierte Konzernunternehmen mit beiden Sparten Möglichkeiten zur Wett-bewerbsdifferenzierung durch Konvergenzdienste, aber auch zur Kostensenkung bietet.

Aufgrund der positiven Rückmeldung seitens der Workshop-Teilnehmer zur Qualität der Referenten und Themenauswahl wird der ZfTM e.V. im 2. Quartal 2007 erneut einen Workshop anbieten. Der inhaltliche Bereich dieses Workshops wird im November 2006 ausgehend von zu diesem Zeitpunkt besonders interessanten Fragestellungen der Führung von TIMES-Unternehmen mit den ZfTM-Mitgliedern abgestimmt und dann vom ZfTM-Vorstand festgelegt. Themen, die nach Meinung der ZfTM-Fördermitglieder besonders attraktive Präsentationen und Diskussionen versprechen, können bei Frau Mahmudova () ab sofort eingereicht werden.