10. ZfTM-Workshop

Breitbandige Fest- und Mobilfunknetze der nächsten Generation – Betriebswirtschaftliche, regulatorische und technische Perspektiven

Am 6. Mai veranstaltete das ZfTM e.V. eine Konferenz, die dem Thema „Breitbandige Fest- und Mobilfunknetze der nächsten Generation – Betriebswirtschaftliche, regulatorische und technische Perspektiven“ gewidmet war. Auslöser der Veranstaltung war die aktuelle Debatte zu Techniken, Regulierungsbedingungen und Vermarktungskonzepten für „Next Generation (Access) Networks“ (NGN) in Deutschland. Stationäre NGN sind durch Ausdehnung von Glasfaser im Zugangsbereich möglichst weit bis zum Endkunden, netzübergreifende Diensteintegration und die Realisierung aller Dienste mittels des „Internet Protocol“ gekennzeichnet. Kostenschätzungen für NGN-Glasfaseranschlüsse aller Haushalte in Deutschland schwanken zwischen 30 und 60 Mrd. EUR. Aber auch bei Diensten für mobile Kunden wird über „NG Mobile N“ und „Long Term Evolution“ jenseits von UMTS diskutiert. Entsprechende mögliche und wahrscheinliche Veränderungen der Angebots- und Anbieterseite der TK-Wirtschaft in Deutschland wurden auf der Konferenz von international renommierten Sprechern aus Wissenschaft, Behörden und Unternehmen vor über 70 Zuhörern beleuchtet. Ungeachtet der aktuellen Wirtschaftskrise konnte damit das ZfTM die Teilnehmerzahl seiner Jahreskonferenz gegenüber dem Vorjahr ein weiteres Mal merklich steigern.

Der Gastgeber und Vorsitzende des ZfTM e.V., Prof. Dr. Torsten J. Gerpott, eröffnete die Veranstaltung mit dem Vortrag „Next Generation Networks für stationäre und mobile Kunden – Ein betriebswirtschaftlicher und regulatorischer Überblick“. Er führte aus, daß Carrier derzeit verschiedene Migrationswege zu NGN, mit denen früher getrennte Informationstechnik und Telekommunikations-(ITK-)Netze und -Dienste in einer Architektur zusammengeführt werden, beschreiten. Weiter zeigte Prof. Gerpott auf, daß durch NGN angestrebte Bandbreitenerhöhungen für Endkunden zur Folge haben, daß in öffentlichen Netzen Glasfaserverlegungen bis zum Kabelverzweiger oder bis zu Wohnhäusern privater Endkunden (wieder verstärkt) in Erwägung gezogen werden (FTTC, FTTB, FTTH). In FTTx-Zugangsnetzen wird laut Prof. Gerpott primär dann investiert, wenn die hohen Kosten für Erdarbeiten und Kabelverlegung durch günstige Rahmenbedingungen (Infrastrukturverbund (Neubauprojekt/Kernsanierung)) oder Nachfragerverbund/-nähe (Wohngebäude/-einheiten auf engem Raum) erheblich reduziert werden können. Gerpott verdeutlichte, daß neben der Höhe der Investitionen für den Access zu NGN zur Bewertung ihrer Wirtschaftlichkeit auch Potentiale zur Geschäftsausweitung durch neue Dienste (z.B. IPTV) und zur Einsparung von Vorleistungsbezugskosten (z.B. Monatsmiete für Teilnehmeranschlußleitungen) von großer Bedeutung sind. Er verwies hier auf Modellkalkulationen hin, nach denen von der Deutschen Telekom (1) FTTB-Zugangsnetze nur für ca. 25% der Haushalte in städtischen Regionen Deutschlands wirtschaftlich betrieben und (2) sogar FTTC-Zugangsnetze immerhin noch für knapp 30% der Haushalte nicht wirtschaftlich angeboten werden können. Demnach scheint in ländlichen Regionen Deutschlands eine Breitbandversorgung allenfalls über funkgestützte Technologien, die das obere UHF-Band von 790 bis 862 MHz nutzen, wirtschaftlich möglich zu sein. 

Dr. Iris Henseler-Unger, Vizepräsidentin der Bundesnetzagentur für Elektrizität, Gas, Telekommunikation, Post und Eisenbahnen (BNetzA), griff das Thema „Neue Netze – neue Regulierung?“ auf. Sie erläuterte, wie die BNetzA die Bretbandstrategie der Bundesregierung durch die Entwicklung von Eckpunkten zu regulatorischen Rahmenbedingungen für die Weiterentwicklung moderner Telekommunikationsnetze und zur Schaffung einer leistungsfähigen Breitbandinfrastruktur sowie von Grundsätzen einer konsistenten Entregulierung zu unterstützen beabsichtigt. Die Eckpunkte adressieren Themen wie die Reduzierung von Risiken von NGN-Investitionen oder die Gewährung von Zugängen zu NGN auf Basis angemessener Entgelte. Die Grundsätze einer konsistenten Entgeltregulierung behandeln zum einen das Verhältnis von Vorleistungs- und Endkundenentgelten sowie verschiedener Geschäftsmodelle zueinander und zum anderen die Implikationen des netztechnologischen Wandels für die Entgeltregulierung. Dr. Henseler-Unger vertrat die These, daß mit dem Aufkommen von NGN keine unstetige Revolution, sondern eine graduelle Evolution der BNetzA-Regulierung verbunden sei.

Der Geschäftsführer des Wissenschaftlichen Instituts für Infrastruktur und Kommunikationsdienste (WIK), Dr. Karl-Heinz Neumann, beschäftigte sich in seinem Vortrag mit der „Regulierung von Next Generation Access im Festnetz im internationalen Vergleich“. Auch er verdeutlichte im Einklang mit Prof. Gerpott die Schwierigkeit, NGA in dünn besiedelten Regionen wirtschaftlich aufzubauen und zu betreiben. Darüber hinaus erklärte Dr. Neumann, daß die These, daß NGN generell mit höheren Risiken verbunden seien als heutige (Fest-)Netze, nicht haltbar sei. Die projektspezifischen Risiken von NGN-Investitionen hängen gemäß Dr. Neumann wesentlich vom Wettbewerbsumfeld und der Art der mit der Migration zu NGN verknüpften Diensteinnovationen ab. Er zeigte weiter auf, daß risikoreduzierende Kooperationen von Wettbewerbern beim NGN-Aufbau in vielfältiger Weise ausgestaltet werden können (z.B. gemeinsame Übernahme der Netzinvestitionen), verhehlte aber auch nicht, daß solche Allianzen aus wettbewerbspolitischer Sicht signifikante Probleme aufwerfen können. 

Der Leiter Regulierung T-Home bei der Deutschen Telekom (DT), Dr. Frank Schmidt, präsentierte in seinem Vortrag die Sicht des Incumbent zu regulatorischen und betriebswirtschaftlichen Grundlagen für Investitionen in NGN. Nach Dr. Schmidt ist für DT-Investitionen in Next Generation Access-(NGA-)-Netze die längerfristige Vorhersehbarkeit des Regulierungsrahmens von sehr großer Bedeutung. Er forderte die BNetzA auf, bei ihren Regulierungsentscheidungen zu NGA folgenden Anforderungen gerecht zu werden: (1) Berücksichtigung regional unterschiedlicher Wettbewerbsverhältnisse, (2) sachlich differenzierte Marktabgrenzung unter Beachtung innovativer Dienste, die „produziert“ werden, sowie (3) Vorrang von freiwilligen Vereinbarungen gegenüber ex-ante-Eingriffen in das Geschehen auf NGA-Märkten. Abweichend von Dr. Neumann postulierte Dr. Schmidt, daß NGA-Netze generell für den Investor mit höheren Risiken verbunden seien als die bisherigen Netze. Folglich plädierte er für veränderte Ansätze zur Preisbildung für NGA-Netzvorleistungen, die z.B. die Entwicklung der Endkundennachfrage oder Up-Front-Investitionen berücksichtigen. Dr. Schmidt beendete sein Referat mit dem Plädoyer für eine Neuausrichtung der Kostenregulierung bei NGA-Netzen.

Dr. Eric Heitzer, Direktor Regulierung und Mitglied der Geschäftsleitung der HanseNet Telekommunikation, bereicherte die Konferenz, indem er über die regulatorischen und betriebswirtschaftlichen NGA-Netz-Erfahrungen eines alternativen Carriers in Deutschland berichtete. Er ging dabei zunächst auf die Möglichkeit ein, das eigene Geschäft durch den Rückgriff auf Bitstrom-Vorleistungen weiter zu entwickeln. Dann analysierte Dr. Heitzer am Beispiel der Großstadtregion Hamburg die Wirtschaftlichkeit von FTTx. Angesichts von Ausbauinvestitionen von 900 Mio. Euro allein für Hamburg kam er zu dem Schluß, daß FTTx-Netze selbst in Ballungszentren von DT-Wettbewerbern nicht rentabel betreibbar sind. Vor diesem Hintergrund vertrat Dr. Heitzer die Meinung, daß ohne eine auf Bundesebene zentralisierte transparente Förderung von FTTx-Projekten durch die öffentliche Hand nicht davon ausgegangen werden könne, daß alternative Carrier in Deutschland in großem Maßstab NGA-Netze errichten werden. Da mit einer solchen Förderung nicht sicher gerechnet werden kann, betonte Dr. Heitzer die Notwendigkeit durch eine diskriminierungsfreie und kostenbasierte Open Access Regulierung für Wettbewerb zumindest auf der Diensteebene in NGA-Netzen zu sorgen.

Nachdem im zweiten bis fünften Referat der Konferenz jeweils der Akzent auf glasfaserbasierte NGA-Netze gelegt worden war, ging Carsten Ahrens, Geschäftsführer von Ericsson in Deutschland, mit seinem mit „LTE Long Term Evolution der Mobilfunknetze – Die Sicht eines globalen Herstellers“ überschriebenen Vortrag auf die Möglichkeiten von (mobil)funkbasierten Plattformen wie UMTS bei der Breitbandanbindung von Endkunden ein. Er erläuterte, daß LTE als UMTS-Nachfolger im Rahmen des „3rd generation partnership program“ konzipiert und standardisiert wird. LTE soll kurzfristig (zwischen den Nutzern aufzuteilende) Bandbreiten von bis zu 160 Mbit/s ermöglichen. Nach Ahrens liegen die Investitionen pro Gbit-Bandbreitenversorgung bei LTE-Plattformen unabhängig von der Bevölkerungsdichte einer Region stets unter 50% der entsprechenden Kosten einer DSL-basierten Anbindung. Als Voraussetzung für eine Akzeptanz von mobilfunkbasierten Internetzugängen nannte Ahrens einen monatlichen Endkundenpreis um die 20 EUR. 

Nach der Mittagspause griff auch Michael Krämer, Master Expert strategisches Frequenzmanagement bei E-Plus, mit dem Thema „Die Evolution von Mobilfunknetzen in Deutschland im Rahmen der Digitalen Dividende – Die Sicht von E-Plus“  ebenfalls  Potentiale von Mobilfunklösungen zur breitbandigen Endkundenanbindung auf. Er stellte dar, daß die E-Plus Gruppe und Ericsson seit Februar 2009 unter Einsatz von UMTS/HSDPA-Technik, die im oberen UHF-Bereich (790–862 MHz) arbeitet, in einem Pilotprojekt erkunden, inwieweit per Funk Breitbandanschlüsse auf dem Land realisiert werden können. Krämer plädierte dafür, daß der obere UHF-Bereich in Deutschland baldmöglichst Anbietern von Breitbandzugängen zur Verfügung gestellt werden sollte. Er verdeutlichte dabei, daß nach Ansicht von E-Plus über das obere UHF-Band hinaus zumindest mittelfristig weitere Frequenzen unterhalb dieses Bandes vom Regulierer für die Versorgung von Endkunden mit breitbandigen Internetzugängen bereitgestellt werden sollten.

Prof. Dr. Hendrik Berndt, CTO und Senior Vice President der DOCOMO Communications Laboratories Europe, ging im Folgevortrag auf „Mobilfunknetze der nächsten Generation“ aus Sicht einer in Deutschland angesiedelten F&E-Einheit des japanischen Netzbetreibers NTT ein. Er berichtete über DOCOMO-Entwicklungsarbeiten auf den Gebieten Overlay-Netz, Netz-Virtualisierung, Plattform-Unterstützung und Diensteerzeugung. Große Marktpotentiale sah Prof. Berndt für kontext- und NFC-basierte Funkdienste.

Im Schlußvortrag beleuchtetet Dr. Marc Raschid Karabek, Leiter Strategie im Geschäftsfeld „Geschäftskunden“ der DT, „Dienste auf Basis von Festnetzen der nächsten Generation“. Hohe Qualität und Leistungsfähigkeit des Netzzugangs sind nach Dr. Karabek Voraussetzungen für das Angebot von Geschäftskundenlösungen, bei denen Daten und Rechenleistungen nicht mehr in den Unternehmen dezentral vorgehalten, sondern zentral im Netz gebündelt werden. Im Geschäftskundenbereich werden Investitionen in Rechnerparks laut Dr. Karabek zunehmend durch bedarfsgetriebene Nutzungsverträge mit Carriern, die „IT-as-a-Service“ „produzieren“, verdrängt. Dr. Karabek nannte als zentrale Vorteile von „IT-as-a-Service“ die kosteneffiziente Nutzung von Hardwareressourcen, Serviceleistungen und Speicherplatz, Softwarezugriff „on Demand“, vereinfachtes Lizenzmanagement sowie die Senkung von Wartungs- sowie Energieverbrauchskosten. Festnetzbetreibern bieten die umrissenen Trends, die Chance sich durch integrierte ITK-Leistungen aus dem Netz im Wettbewerb zu differenzieren.

Aufgrund der überaus positiven Resonanz der Konferenzteilnehmer zur Qualität der Referenten sowie zur Organisation der Veranstaltung wird das ZfTM e.V. auch im Mai 2010 einen Workshop veranstalten. Thematische Vorschläge sind unter willkommen.