11. ZfTM-Workshop

"Breitband und E-Energy als Wachstumsmotoren der Telekommunikationsbranche?"

Am 5. Mai organisierte das ZfTM eine Konferenz, die sich mit der Frage auseinandersetzte, inwieweit Hochgeschwindigkeitsanschlüsse und Telekommunikationsanwendungen in der Energiewirtschaft der Telekommunikationswirtschaft in Deutschland zu einem nachhaltigen Wachstumsschub verhelfen können. Diese Frage stellt sich zum einen angesichts des in einigen Regionen Deutschlands zu beobachtenden Aufbaus neuer TK-Netze, die Glasfasern bis zum Kundengebäude oder noch weiter bis in die Wohnung von Privathaushalten bringen. Hier herrscht große Unsicherheit, unter welchen nachfrageseitigen, rechtlichen und technischen Rahmenbedingungen die Errichtung einer „fiber access infrastructure“ eine betriebswirtschaftlich sinnvolle Strategie für TK-Anbieter darstellt. Zum anderen ergibt sich die o.g. Frage daraus, daß aktuell Schlagworte wie „intelligente Stromnetze/Zähler“ (englisch: smart grids/meter) große Beachtung finden. Mit ihnen wird der Eindruck vermittelt, daß sich durch den verstärkten Einsatz von Informations- und TK-Technik in Stromnetzen neben ökologischen Vorteilen auch für TK-Unternehmen zusätzliche Geschäftschancen ergeben.

Als externe Referenten konnte das ZfTM nicht nur den Präsidenten der Bundesnetzagentur, Matthias Kurth, gewinnen, sondern acht weitere Sprecher, welche die Sicht renommierter TK-Netzbetreiber, TK-Ausrüster und Energieversorgungsunternehmen präsentierten. Mit mehr als 80 Zuhörern wurde auf der Teilnehmerseite eine neue Rekordmarke erreicht. Nicht zuletzt aufgrund der stetigen Zunahme der Teilnehmerzahl fand die Konferenz erstmals im „inHaus2“ der Fraunhofer Gesellschaft statt, so daß Sprecher und Zuhörer sich zusätzlich noch einen Eindruck von innovativen Systemlösungen im Nutzimmobilienbereich verschaffen konnten.

Zu Beginn der Veranstaltung gab der Gastgeber und Vorsitzende des ZfTM e.V., Prof. Dr. Torsten J. Gerpott, in seinem Referat „Breitband und TK-Anwendungen in der Energieversorgung“ einen Überblick hinsichtlich der für die Konferenz relevanten Themen. Beim Themenbereich Breitband konzentrierte er sich auf Glasfaseranschlußnetze. Er zeigte auf, daß beim Aufbau solcher Infrastrukturen in Deutschland wesentlich komplexere Anbieterkonstellationen zu erwarten sind als man sie aus der Zeit, als die Deutsche Bundespost vor 60 Jahren mit der Errichtung von Kupferanschlußnetzen begann, gewohnt war. Im Zusammenhang mit TK-Anwendungen in der Energiewirtschaft betonte Prof. Gerpott, daß die aktuellen Regelungen des Energiewirtschaftsgesetzes nicht ausreichen würden, um die Einführung von intelligenten Stromnetzen und -zählern durch Energieversorger in Deutschland in den nächsten fünf Jahren deutlich voranzubringen. Er verdeutlichte, daß speziell die Vorgaben in § 40 des Energiewirtschaftsgesetzes mehr die Bedürfnisse von Umweltpolitikern als die von Haushalts­stromkunden widerspiegeln.

Matthias Kurth, Präsident der Bundesnetzagentur für Elektrizität, Gas, Telekommunikation, Post und Eisenbahnen (BNetzA) beleuchtete in seinem Referat den „Beitrag der Regulierung zur Entwicklung von stationären und mobilen Breitbandangeboten in Deutschland“. Er vertrat die Position, daß Deutschland bei der aktuellen Verfügbarkeit von stationären Breitbandanschlüssen unter den 27 EU-Staaten einen Platz im ersten Drittel einnehmen würde. Zu diesem Rang habe die BNetzA durch Entscheidungen beigetragen, die „eine angemessene Balance von diensteorientiertem und infrastrukturbasiertem Wettbewerb gewährleistet“ hätten. Um den jetzt neu anstehenden Aufbau von Glasfaseranschlußnetzen zu fördern, habe seine Behörde ein mit hochrangigen Industrievertretern besetztes „NGA-Forum“ ins Leben gerufen. Dieses Forum soll konkrete Themen erörtern, die beim Aufbau von Next Generation Access-Netzen eine besondere Rolle spielen (z.B. Interoperabilität verschiedener Netze). Hinsichtlich der Entwicklung mobiler Breitbandangebote betonte Kurth, daß man mit der am 12. April begonnenen Versteigerung von rund 350 MHz Spektrum in Europa eine Pionierposition inne habe. Die Mobilfunknetzbetreiber seien gefordert, insbesondere das Spektrum von 60 MHz aus der digitalen Dividende im Bereich um 800 MHz zu nutzen, um rasch breitbandige mobile Internetzugänge auch auf dem Land anzubieten. Mit Blick auf die Einführung intelligenter Stromnetze und -zähler in Deutschland verwies Kurth darauf, daß konkrete technische Ausbauvorgaben zum jetzigen Zeitpunkt einseitig etablierte Energieversorger begünstigen und das Engagement neuer Wettbewerber behindern würden. Deshalb seien solche Vorgaben aktuell nicht sinnvoll.

Der Vorstandsvorsitzende von Alcatel-Lucent Deutschland, Alf Henryk Wulf, erläuterte in seinem Referat, daß an der Einführung von Glasfaseranschlußnetzen infolge des deutlichen Anstiegs der Nachfrage von Übertragungsbandbreiten insbesondere für Video-Dienste mittel- bis langfristig kein Weg vorbei führen würde. Er prognostizierte, daß sich an diesem Aufbau kommunale Energieversorger in Deutschland merklich beteiligen werden. Zudem zeigte er technische Möglichkeiten zur Bandbreitenerhöhung in Mobilfunknetzen (z.B. Zellteilung, MIMO-An­tennen) auf. Wulf berichtete, daß sein Unternehmen im Energiebereich bereits an konkreten Lösungen für Versorger arbeite, welche auf eine verbesserte Steuerung von Energienetzen mit vielen dezentralen Stromerzeugern auf Basis von IP-Plattformen zielen.

Dr. Stephan Korehnke, Leiter Regulierungsstrategie und -recht bei Vodafone D2, analysierte in seinem Vortrag den Weg der Regulierung in Deutschland bei der digitalen Dividende und Glasfaseranschlußnetzen. Im Mobilfunkgeschäft würde nachhaltiger Wettbewerb durch parallele Infrastrukturen der vier Betreiber gesichert, so daß hier zusätzliche Regulierungsmaßnahmen weitgehend überflüssig seien. Lediglich bei der Frequenzausstattung sollte die Regulierung den Betreibern durch Freigabe weiterer Frequenzen, also einer zweiten digitalen Dividende, zur Seite stehen. Bei Glasfaseranschlußnetzen sah Dr. Korehnke demgegenüber keine Möglichkeit für einen Wettbewerb durch parallele Infrastrukturen. Deshalb müsse die Bundesnetzagentur sicherstellen, daß Wettbewerber Zugang zu Glasfaseranschlußnetzen der Deutschen Telekom erhalten. Eine Möglichkeit zur Sicherung eines solchen Zugangs sah Dr. Korehnke in der Schaffung einer strukturell separierten Netzeinheit, für die auch Wettbewerber der Deutschen Telekom die Möglichkeit erhalten sollten, sich „als gleichberechtigte Gesellschafter“ zu beteiligen.

Im fünften Vortrag berichtete Frédéric Gastaldo, Leiter Regulierungsstrategie der Swisscom, über einen Ansatz des Incumbent in der Schweiz, der darauf zielt, Wettbewerb bei Glasfaser­anschlußnetzen bereits auf der Ebene der passiven Infrastrukturen zu erreichen. Er sieht vor, daß Endkunden bei einem Netzausbau jeweils mit vier Glasfasern versorgt werden, die sich im Eigentum verschiedener Unternehmen befinden sollten. Die Bauinvestitionen werden dann auf die verschiedenen Eigentümer aufgeteilt, die jeweils getrennt in weitere „aktive“ Technik investieren, um anderen Carriern oder Endkunden TK-Leistungen anbieten zu können. Die Swisscom hat bislang in neun Städten mit dem Ausbau solcher „Multi-Faser-Anschlußnetze“ begonnen, bei denen als Kooperationspartner fast ausnahmslos städtische Elektrizitätsversorger gewonnen wurden. Gemäß Gastaldo entfällt durch den Multi-Faser-Ansatz bei Glasfaser­anschlußnetzen die Notwendigkeit einer Zugangsregulierung, weil Endkunden Hochge­schwindigkeitsanschlüsse von mehreren Infrastruktureigentümern beziehen können.

Im letzten Vormittagsreferat informierte Dr. Enno Wieben, Leiter der Stabsstelle strategische Netzplanung bei der EWE Netz, über Aktivitäten des regionalen „Multi-Service-Unterneh­mens“ EWE bei Glasfaseranschlußnetzen und bei der digitalen Vernetzung eines umweltfreundlichen Energieversorgungssystems (= „E-Energy“). Bei Glasfaseranschlußnetzen ließ er offen, inwieweit EWE eine eigenständige „Fiber-to-the-Building“-[FTTB-]Strategie verfolgen wird oder sich auf den Glasfasernetzausbau bis zum Kabelverzweiger in Kooperation mit der Deutschen Telekom beschränken will. Dr. Wieben berichtete weiter, daß EWE bei Energiehaushaltskunden bereits eine „trio smartbox“ testen würde, die Endkunden Rückmeldungen zum Energieverbrauch gibt und zu durchschnittlichen Einsparungen von 10% geführt habe. Er gestand aber auch zu, daß die Bereitschaft der Kunden, für ein solches Rückmeldesystem zu zahlen, sehr gering ausgeprägt sei.

Im ersten Vortrag nach der Mittagspause stellte Dr. Jörg Ochs, Leiter Telekommunikation bei der Stadtwerke München Services, die Erschließung von ausgewählten Gebieten im Münchner Raum mit FTTB-Infrastrukturen dar. Er erläuterte, wie in der Praxis ein FTTB-Ausbau von der strategischen Planung der Netzarchitektur (in München Point-to-Point-Netze) über die Dämpfungsplanung bis zur Feinplanung abläuft. Dr. Ochs scheute sich dabei nicht, operative Problemstellungen, wie die Auswirkungen unterschiedlicher Rohrsysteme auf die Möglichkeiten zum Einblasen von Glasfasern, nachvollziehbar zu erläutern.

Im nächsten Referat, das von Michael Grüll, Geschäftsführer der Stadtwerke Schwerte, gehalten wurde, standen ebenfalls Erfahrungen eines „regionalen Players“ beim Aufbau von Glasfaseranschlußnetzen im Mittelpunkt. Der Vortragende berichtete, daß die Stadtwerke Schwerte in den Jahren 2007 bis 2010 insgesamt 12,2 Mio. Euro investiert haben, um in elf Hauptverteilerbereichen der Deutschen Telekom eine „Fiber-to-the-Home“-[FTTH-]Infrastruktur zu errichten, an die Ende März 2010 1.835 Gebäude mit 4.569 Wohneinheiten angeschlossen waren. Grüll bezifferte die durchschnittlichen FTTH-Investitionen pro Haus in einem Schwerter Stadtteil auf 2.955 Euro. Für lebhafte Diskussionen sorgte die Preispolitik für Glasfaseranschlüsse in Schwerte. Sie sieht vor, daß Endkunden pro zusätzlichem Mbit/s Empfangsbandbreite monatlich einen Euro zahlen. Damit wird ein 100 Mbit/s Anschluß derzeit für 100 Euro pro Monat vermarktet. In einem Exkurs ging Grüll auf zwei Pilotprojekte zur Smart Meter-Einführung in Schwerte ein. Mittelfristig erwägen die Stadtwerke Schwerte 8 Mio. Euro zu investieren, um 30.000 Haushalte mit intelligenten Stromzählern auszurüsten.

Dietmar Schickel, Chief Commercial Officer der Tele Columbus Gruppe, verdeutlichte in seinem Vortrag, daß auch Betreiber von ursprünglich zur Verteilung von TV- und Radioprogrammen errichteten Koaxialkabelnetzen, durch Investitionen in DOCSIS-3.0-Technik dazu in der Lage sind, Endkunden Internetzugänge mit einer Empfangsgeschwindigkeit von bis zu 100 Mbit/s anzubieten. Aus seinen Ausführungen war aber ebenfalls zu erkennen, daß speziell die Tele Columbus Gruppe aufgrund schwieriger Konstellationen im Kreis der Eigentümer und Fremdkapitalgeber die Umrüstung ihrer Kabel-TV-Netze auf DOCSIS 3.0 bei weitem noch nicht abgeschlossen hat.

Die schwierige Aufgabe, die Zuhörer nach neun Vorträgen mit einem Abschlußreferat zu fesseln, übernahm Ingo Schönberg, Vorstandsvorsitzender der Power Plus Communications. Er befaßte sich mit Geschäftsmöglichkeiten, die sich für Energieversorger und TK-Unternehmen durch den Einsatz leistungsfähiger Informations- und Kommunikationstechnik in Stromnetzen und -zählern ergeben. Bei diesen Applikationen unterschied Schönberg „klassische Märkte im Versorgungsprozeß“ (z.B. Regelenergiemarkt) und „neue Märkte aus der Servicewelt“ (z.B. Sicherheitsdienstleistungen). Er hob die Potentiale von Breitband Powerline-Systemen hervor, um eine kostengünstige Kommunikationsbasis für Regelungsvorgänge in Stromnetzen unter Einbezug intelligenter Zähler zu schaffen.

Aufgrund der durchweg lobenden Rückmeldungen der Teilnehmer zur Qualität der Präsentationen sowie zur Organisation der Veranstaltung wird das ZfTM e.V. am 18. oder 25. Mai 2011 die Tradition der ZfTM-Jahreskonferenzen fortsetzen. Thematische Vorschläge sind willkommen und sollten an übermittelt werden.